Die „Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme)“ Band 17, 2012, ist erschienen (ISSN 0946-8471, Isensee-Verlag Oldenburg, www.isensee.de, Preis 19,80 €)
Der Band ist Wolf-Dieter Tempel zum 75. Geburtstag gewidmet.
Inhalt:
Korinna Raffius, Henrike Möhler: Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen zur spätglazialen und holozänen Landschaftsdynamik, Klimaveränderungen und Siedlungsaktivitäten im Gebiet des Bullensees bei Zeven, Landkreis Rotenburg (Wümme)
Zusammenfassung:
Obwohl zahlreiche archäologische Funde in unmittelbarer Nähe des Naturschutzgebietes Bullensee auf die siedlungsgeschichtliche Bedeutung dieser Region schließen lassen, gibt es nur wenige und unveröffentlichte palynologische Studien aus der Umgebung des Bullensees. Mit dieser Arbeit wird daher die Erforschung der Weser-Elbe-Region in diesem Bereich ergänzt und ein Einblick in die lokale Vegetations-, Feuer- und Siedlungsgeschichte des Naturschutzgebietes Bullensee ermöglicht. Die Zusammensetzung der Vegetation wandelte sich von offener Tundrenvegetation in der Ältesten/Älteren Dryas hin zu Eichen- und Erlen-dominierten Wäldern mit hohen Anteilen an Birke und Hasel während des Atlantikums. Das zunehmende Vorkommen an Kulturzeigern parallel zum Anstieg der Heidekrautanteile und der Holzkohlepartikel lassen menschliche Aktivitäten spätestens seit dem Subboreal vermuten. Die ersten Getreidepollenkörner wurden in der Vorrömischen Eisenzeit gefunden und dokumentieren die ackerbaulichen Tätigkeiten zu jener Zeit. In der Römischen Kaiserzeit gewannen Buche und Hainbuche an Bedeutung, insgesamt war das Gebiet durchgehend besiedelt. Die Siedlungslücke während der Völkerwanderungszeit wirkte sich positiv auf die lokale Vegetation aus und hatte eine zunehmende Wiederbewaldung mit großem Buchenvorkommen bei abnehmender Verheidung zur Folge. Dieser Trend kehrte sich bereits im frühen Mittelalter wieder um, als die vermehrte Abholzung durch den Menschen eine Öffnung der Wälder und ein zunehmendes Vorkommen an Ackerflächen zur Folge hatte. Im hohen Mittelalter änderte sich die Zusammensetzung der Wälder kaum, es kam jedoch zu vermehrter Verheidung und die hohen Holzkohleanteile lassen gezielte Brandrodung vermuten. Während dieser Zeit begann zudem der Bullensee zu verlanden und ein Schwingrasen aus Sphagnum-Moos bildete sich aus.
Klaus Gerken: Schwitschen FStNr. 42 – Die Grabung Dehnke 1962–1964
Zusammenfassung:
Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Ausgrabung an einer großflächigen Fundstelle, die von Rudolf Dehnke von 1962 bis 1964 durchgeführt wurde, erstmalig aufgearbeitet. Auf einer Fläche von 382,5m² konnten über 100 Feuerstellen dokumentiert werden, die belegen, dass langjährige, möglicherweise saisonale, Aktivitäten stattgefunden haben.
Das ca. 23.000 Artefakte umfassende Fundmaterial zeigt, dass die Fundstelle sowohl im Spätglazial als auch im Mesolithikum sowie in jüngeren Zeiten aufgesucht wurde. Dabei überwiegen bei weitem die spätmesolithischen Artefakte. Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Fundstelle geeignet wäre, bedeutende Erkenntnisse zur Entwicklung des Spät- und Endmesolithikums im norddeutschen Tiefland zu gewinnen. Die bei der Grabung angewandte Grabungstechnik verbietet es jedoch u. a. aufgrund der zu groß gewählten Flächeneinheiten, Aussagen zu räumlichen Strukturen einzelner Aufenthalte zu gewinnen. Einzelne Flintinventare lassen sich nicht isolieren und somit auch keine möglichen Entwicklungsstadien innerhalb des Spätmesolithikums aufzeigen. Dennoch konnte an Hand von fünf 14C-Datierungen wahrscheinlich gemacht werden, dass das Auftreten von Trapezen im nordöstlichen niedersächsischen Tiefland zwischen ca. 6400 und 6100 calBC belegt ist. Während dieser Zeitspanne ist eine Entwicklung zu echten Pfeilschneiden noch nicht zu beobachten. Aufgrund des überproportionalen Anteils an Pfeilbewehrungen, wobei sich die Aussagen aufgrund der Erhaltungsbedingungen nur auf das lithische Material im Werkzeugbestand stützen können, werden jagdliche Aktivitäten eine bedeutende Rolle gespielt haben.
Die von R. Dehnke vorgenommene Einschätzung, dass der überwiegende Teil der Artefakte spätpaläolithischen Aktivitäten zuzurechnen ist, musste revidiert werden. Der Nachweis von Aufenthalten der Federmesser-Gruppen ist aber sicher belegt. Weitere, aufgrund technologisch/typologischer Aspekte in das Spätglazial zu datierende Artefakte lassen darüber hinaus auch eine Zuweisung zur Ahrensburger Kultur zu.
Stefan Hesse: Die archäologischen Untersuchungen an der Burg in Clüversborstel, Gde. Reeßum, im Jahr 2007
Zusammenfassung:
Die Burg Clüversborstel wurde wohl im Jahr 1478 von der Ministerialenfamile Clüver auf einer leicht erhöhten natürlichen Geländekuppe in der Wiesteniederung errichtet. Sie bestand aus einer Vor- und einer Hauptburg, die durch einen Graben und im Bereich der Hauptburg durch eine weitere Wall-Grabenanlage geschützt wurden. Der Zugang erfolgte über zwei Brücken. Die Bauten der Burg Clüversborstel wurden in Teilen aus Backstein errichtet und besaßen im 15. Jahrhundert eine Dachdeckung aus Mönch-und-Nonne Ziegel, die im 16. und 17. Jahrhundert teilweise durch eine Deckung mit S-Pfannen ersetzt wurde. Vermutlich war schon bei der Errichtung der Burg ein Kachelofen in den repräsentativen Räumen vorhanden, der in der Zeit um 1600 durch einen „Schwarzen Ofen“ ergänzt oder ersetzt wurde. Die Fenster waren zumindest in Teilen verglast.
Das Fundmaterial lässt durchaus auf einen auf Repräsentation ausgelegten Haushalt (Siegburger Steinzeug, Fayence etc.) schließen. Auch der Wildtieranteil an den Tierknochen ist typisch für eine adelige Lebensführung. Die geringe Anzahl der bei den Ausgrabungen zu Tage tretenden Backsteine und Dachziegel lässt eine sehr sorgfältige Wiederverwendung des Baumaterials vermuten. Dies ist auch naheliegend, da nach der Zerstörung der Burg unmittelbar benachbart ein Gutshaus errichtet wurde. Hierfür hat man sicherlich alle weiter verwendbaren Backsteine und Dachziegel der Burg genutzt.
Alle Baustoffe außer Holz mussten über eine größere Entfernung transportiert werden. Hier ist besonders Muschelkalk zu nennen, aber auch Backsteine und Dachziegel, die vermutlich nicht vor Ort gebrannt wurden. Die recht deutlichen Hinweise auf militärische Auseinandersetzungen werden wohl aus den Jahren 1489–1491 oder aus dem Dreißigjährigen Krieg stammen. Am wahrscheinlichsten stammen sie von der letzten überlieferten Zerstörung im Jahr 1645, da Überreste von überstandenen Belagerungen bzw. Auseinandersetzungen sicherlich im Laufe der Zeit beseitigt wurden, entweder weil sie wiederverwendbar bzw. störend waren oder weil sie als „Trophäen“ bewusst sichtbar präsentiert wurden, wie etwa die im Giebel eingemauerten Kanonenkugeln. Es ist weiterhin denkbar, dass auch andere Auseinandersetzungen ihre Spuren im archäologischen Befund hinterließen, die jedoch nicht schriftlich erwähnt bzw. überliefert wurden. Die archäologischen Untersuchungen haben weiterhin gezeigt, dass die fundführenden Schichten auf der Hauptburg über einen Meter tief im Boden liegen und somit relativ gut geschützt sind. Da auch heute das Areal als Naturgarten genutzt wird, ist derzeit keine Gefährung der Befunde auf der Hauptburg zu erkennen. Die Befundsituation auf der Vorburg ist bislang unbekannt und bedarf sicherlich weiterer Untersuchungen.
Wolfgang Scherf: Neue Einblicke in die Bremervörder Geschichte
Zusammenfassung:
Durch die Notgrabung im Winterhalbjahr 2010/2011 war es möglich vier nebeneinander liegende und jeweils durch einen Traufgang voneinander getrennte Parzellen aufzudecken und zu dokumentieren. Bei den jüngsten Baubefunden handelt es sich um den Zerstörungshorizont des Dreißigjährigen Krieges von 1646, als die Bebauung auf Anordnung des dänischen Festungskommandanten in Brand gesteckt wurde, um ein freies Schussfeld auf die anrückenden Schweden zu erhalten. Belegt werden konnten Überreste der unmittelbaren kriegerischen Auseinandersetzungen durch das Auffinden von Brandschichten und die Funde zweier Kanonenkugeln, eines deformierten Bleigeschosses und mehrerer Dolch(?)klingen sowie aufwendige Planierungsarbeiten nach der Zerstörung, in deren Rahmen Teile der Fundamentstrukturen vermutlich zur sekundären Verwendung beseitigt und große Teile des Areals mit einer massiven Lehmschicht überplaniert wurden. Beim Abtiefen von Teilen der untersuchten Fläche konnten ältere Besiedlungsspuren, die vermutlich dem Hochmittelalter zuzuordnen sind, dokumentiert werden. Aufgedeckte ältere Fundamentreste in Parzelle 2 und 3 sprechen für eine weitgehende Kontinuität von Größe und Orientierung der Parzellenstrukturen in Bremervörde, wie dies auch in anderen Städten zu beobachten ist.
Im Hinblick auf den lückenhaften urkundlichen Quellenbestand für Bremervörde zeigt die 2010/2011 durchgeführte Notgrabung am Großen Platz nachdrücklich, wie massiv der archäologische Quellenbestand in nicht modern gestörten Bereichen dieser Stadt noch ist. Neben den erstmals in Bremervörde umfangreicher erfassten Parzellenstrukturen des 16. und 17. Jahrhunderts mit den Zerstörungshorizonten des Dreißigjährigen Krieges waren ebenfalls mittelalterliche Baustrukturen fassbar. Für eine genauere Einordnung dieser Befunde steht jedoch die eingehende Aufarbeitung des Fund- und Probenmaterials noch aus. Dennoch bietet sich unter der
Es folgen Literaturschau, Fundchronik und Tätigkeitsberichte.