Kreisarchäologie Archäologie im zentralen Elbe-Weser-Dreieck

Ostervesede

Ostervesede in ur- und frühgeschichtlicher Zeit

von Stefan Hesse

Die Geschichte einer Gemarkung reicht in der Regel wesentlich weiter zurück als eine mehr oder minder zufällige Erwähnung in schriftlichen Quellen. So sind auch für die Gemarkung Ostervesede die ersten Menschen für die Mittelsteinzeit (etwa 9.500-4.000) nachgewiesen. Die Möglichkeit, dass der Mensch bereits früher diese Gegend aufsuchte, ist dennoch nicht vollends zu verwerfen. Relikte aus der Zeit vor und zwischen den Eiszeiten sind tief unter Sand und Kies begraben. An der heutigen Oberfläche sind erst Hinterlassenschaften der ausgehenden Altsteinzeit häufiger zu beobachten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Menschen in der Alt- und Mittelsteinzeit noch nicht sesshaft waren und ihre Rastplätze nur für wenige Tage oder Wochen nutzten. Als Behausungen dienten leichte Hütten oder Zelte, die kaum Spuren hinterließen.

Übersicht über alle bekannten archäologischen Fundstellen in der Gemarkung Ostervesede (Stand 05/2004).

Als Belege für nacheiszeitliche – also mittelsteinzeitliche – Wildbeuter sind eine Fundstreuung mit Feuersteinartefakten und das Fragment einer Geröllkeule bekannt. Der damalige Mensch lagerte bevorzugt auf Geländekuppen oder –kanten in der Nähe von Flussläufen. So hatte man den Fluss als Nahrungsquelle (Wildeinstand, Fisch) und eine gute Sicht auf mögliches Jagdwild.

Ein geschliffenes Feuersteinbeil der Jungsteinzeit aus Ostervesede.

Die ersten Landwirte

Die sesshafte Lebensweise übernimmt der Mensch in unseren Raum in der Zeit um 4.000 v. Chr. Dieser Abschnitt, der bis etwa 1.700 v. Chr. andauert, wird als Jungsteinzeit oder Neolithikum bezeichnet. Der Mensch hinterließ aufgrund seiner dauerhaften Anwesenheit zahlreiche Spuren, darunter ein sehr gut erhaltenes Beil aus geschliffenen Feuerstein. Die Schneide wurde mehrmals nachgeschliffen, sodass von einer intensiven Nutzung auszugehen ist. Beile hatten im Neolithikum aber auch in der folgenden Bronzezeit eine hohe Bedeutung sowohl im Alltagleben – qualitätsvolle Beile machten eine intensive Holznutzung für den Hausbau etc. erst möglich – als auch im kultischen Bereich. Aus der späteren Phase der Jungsteinzeit stammt ein stark verwitterte Streitaxt, die im Dorfbereich von Ostervesede gefunden wurde.

Nur noch wenige der einst landschaftsprägenden Grabhügel sind heute noch sichtbar.

Landschaftsprägende Grabstätten

Mit dem Ende der Jungsteinzeit traten erstmals Grabhügel als Bestattungsplatz auf, die auch für die folgende Phase der älteren Bronzezeit prägend blieben. In der Gemarkung Ostervesede sind 25 Grabhügel bekannt, von denen aber im Laufe der Zeit eine große Anzahl zerstört wurde. So wurde beispielsweise auf einem etwa 0,9 m hohen und 16 m durchmessenden Grabhügel in der Nähe des Steinkampsmoores 1959 eine Jagdhütte erbaut. Diese wurde um 1970 abgerissen und der gesamte Grabhügel planiert. Andere wurden durch ständiges Überpflügen nach und nach zerstört. Von der Vielzahl der ehemaligen Grabstätten in der Gemarkung zeugen nur noch wenige Exemplare. Die hohe Verlustquote wird deutlich, wenn man die Anzahl der noch sichtbaren Grabhügel zur Zeit der Archäologischen Landesaufnahme von H.-J. Killmann (Landesmuseum Hannover) mit den noch heute vorhanden vergleicht: etwa 70 % der 1960 noch in der Gemarkung Ostervesede sichtbaren Grabhügel sind heute zerstört. Neben dieser erschreckenden Bilanz muss man jedoch auch die Leistungen um den Erhalt des historischen Erbes nach dem Inkrafttreten des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes sehen, das im Landkreis Rotenburg (Wümme) in die Einrichtung einer Kreisarchäologie mündete. Noch heute sehenswert ist eine kleine Gruppe von 4 Grabhügeln, die sich unter Wald erhalten haben. Funde sind von diesem Areal unbekannt, doch aufgrund der Form der Hügel kann man eine Einordnung in die ältere Bronzezeit vermuten.

Handwerkliches Können im Umgang mit Feuerstein belegen Flintdolch aus der ausgehenden Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit.

In die Übergangszeit von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit gehört Feuersteindolche, die sich in ihrer Form häufig Metallvorbildern anlehnen, die damals begehrte Prestigegüter waren. Ein Exemplar mit rhombischen Griff wurde 1957 am Osterberg gefunden. Ein weiterer Flintdolch wurde 1965 in der nähe bereits zerstörter Grabhügel geborgen. Möglicherweise handelt es sich hier um eine ehemalige Beigabe. Die Dolche aus Ostervesede weisen dem Hersteller ein hohes handwerkliches Geschick und eine erstaunliche Materialkenntnis aus.

Die Bronzezeit

In die Bronzezeit (etwa 1.700 – 700 v. Chr.) datiert ein bronzenes Klingenbruchstück, das 1937 beim Abtragen eines Grabhügels geborgen wurde. Ebenso wurden mehrere etwa kopfgroße und größere Steine beobachtet. Die schwach facettierte Klinge ist auf einer Länge von 13 cm erhalten. In diesen Zeitraum gehört ebenso ein Bronzedolch, der 1936 beim Torfstechen im Zechhornsmoor zusammen mit einer bronzezeitlichen Flintsichel gefunden wurde. Reste des Dolchgriffes, der durch 4 Nieten gehalten wurde, waren noch vorhanden. Dieser Fund ist vermutlich dem Aufruf von Lehrer Dreyer zu verdanken, beim Torfgraben auf Funde zu achten, da der Dolch nur einen Tag später gemeldet wurde. Bei diesem Fund liegt der Verdacht nahe, dass es sich um eine kultische Niederlegung handelte. Gewässer und Moore galten in zahlreichen Epochen als verehrungswürdige Orte. Über den geistigen Hintergrund der Niederlegung – handelt es sich um eine Selbstausstattung für das Jenseits, ein Dankes- oder Bittopfer, eine häufiger geübte religiöse Praxis etc. – kann heute bestenfalls spekuliert werden.

Reste einer Opfergabe im Moor?

Ein Bronzeabsatzbeil vom Typ Osthannover mit Punzeinschlägen auf der Leiste und dem Wulst ist ebenso der älteren Bronzezeit zuzuordnen. Eine Verzierung der Beile ist von einer größeren Anzahl diesen Typs bekannt. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt zwischen Weser, Elbe und Aller. Von einem zweiten Absatzbeil hat sich nur noch eine Fundnotiz erhalten, sein Verbleib ist unbekannt; er ist somit für die wissenschaftliche Erforschung der Geschichte der Gemarkung Ostervesede verloren.

Urnen der vorrömischen Eisenzeit.

Mit der jüngeren Bronzezeit ging man um 1.200/1.300 v. Chr. vollends zur Brandbestattung über. Spätestens hier wird auch ein verstärkter Wechsel bzw. eine andere Ausrichtung in der damaligen Religion/Kult deutlich. Die Unversehrtheit des Körpers war nach seinem Tod nicht mehr notwendig. Man muss daher spätestens seit diesem Zeitraum von einem Glauben an eine unsterbliche Seele o. ä. ausgehen. Aus dem folgenden Zeitabschnitt der vorrömischen Eisenzeit (etwa 700–um Chr. Geburt) stammt in Ostervesede ein Urnenfriedhof mit mehreren hundert Urnen, der „Auf dem schwarzen Berg“ vor 1900 angeschnitten wurde. Leider wurden die Mehrzahl der Urnen nicht aufbewahrt, sondern mit Schaufeln noch auf dem Feld zerschlagen und flächig verteilt. Nur wenige Fragmente haben sich in der Sammlung der Gemeinde Ostervesede erhalten. Um eine Urne der vorrömischen Eisenzeit handelt es sich ebenso bei einem Fund, der erst jüngst gemeldet wurde.

Aus den folgenden Zeiten der Römischen Kaiserzeit, Völkerwanderungszeit und Frühmittelalter sind uns derzeit keine archäologischen Funde aus der Gemarkung Osterwesede bekannt. Nachweise aus benachbarten Orten lassen jedoch vermuten, dass es sich hierbei nur um eine Überlieferungslücke handelt.

Dieser kleine Abriss der Ur- und Frühgeschichte in der Gemarkung Ostervesede gibt einen Eindruck wie alt die Geschichte der eigenen Heimat in der Regel ist. Doch trotz der oben beschriebenen Funde besteht das Geschichtsbild der älteren Epochen vorwiegend aus Lücken. Jeder Fund kann dazu beitragen diese Lücken zu füllen und vielleicht auch ganz neue Aspekte zum Leben und Wirken des Menschen in Ostervesede aufzuzeigen. Melden sie daher Funde an die Kreisarchäologie Rotenburg, denn Kulturgeschichte kann nur gemeinsam in der Zusammenschau aller vorhandenen Informationen geschrieben werden.