Kreisarchäologie Archäologie im zentralen Elbe-Weser-Dreieck

Bötersen

Archäologie in der Gemarkung Bötersen

von Stefan Hesse

Am Beginn einer Chronik steht zumeist die Erdgeschichte und Archäologie. Beide Fachdisziplinen können häufig wenig kennzeichnendes und typisches für eine Gemarkung liefern, da die hier beobachteten Phänomene zumeist von überregionaler Natur sind. Zusätzlich gibt es nur in einer beschränkten Auswahl von Ortschaften bzw. Gemarkungen aussagekräftige archäologische Grabungen, die zumindest in Abschnitten ein detaillierteres Bild der älteren Epochen liefern. In Bötersen haben wir jedoch den eben beschriebenen Glücksfall, dass hier einige Grabungen stattfanden, die dazu auch noch sehr bemerkenswerte Ergebnisse erbrachten. Aber auch in dieser Chronik soll alles in der Folge des zeitlichen Ablaufs behandelt werden.

Wenig Funde für die Anfänge

Die ersten Hinweise auf Menschen im Kreisgebiet besitzen wir vermehrt ab der ausgehenden Altsteinzeit durch Hinterlassenschaften der Hamburger-Kultur oder der Feddermessergruppen (ab etwa 12.500 v. Chr.). Doch war der Mensch bereits auch vorher in unserem Gebiet. Die Artefakte dieser Zeitstellung liegen aber in der Regel mehrere Meter unter Sand begraben und Funde sind eher dem Zufall zu verdanken. Über Funde aus diesem Zeitabschnitt der Jäger und Sammler sowie der folgenden Mittelsteinzeit besitzen wir für Bötersen keine Kenntnis. Die Überlieferung beginnt hier mit den ersten Bauern: Ab etwa 4.000 v. Chr. wurde auch die Geest von Mitgliedern der sog. Trichterbecherkultur landwirtschaftlich genutzt. Sie rodeten Land, errichteten dauerhafte Siedlungen und betrieben Land- sowie Viehwirtschaft. Ihren Namen verdankt die Kultur einer typischen Gefäßform – dem Trichterbecher. Die ersten Bauern in unserem Gebiet errichteten auch die ersten baulichen Hinterlassenschaften, die sich z. T. bis heute erhalten haben: die Großsteingräber. In ihnen wurde eine ganze Gemeinschaft (Dorf, Sippe, Familie) über einen längeren Zeitraum bestattet. Immer wenn eine Person verstarb, wurde der Eingang zum Großsteingrab geöffnet und der Tote bei seinen Verwandten und Ahnen niedergelegt. Die Größe der Grabanlagen und besonders der verbauten Findlinge, hat dazu geführt, dass die Anlage lange Zeit als Werk sagenhafter Riesen gedeutet wurden.

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Ein jungsteinzeitliches Großsteingrab in der Steinalkenheide zwischen Oldendorf und Badenstedt.

Axt der Einzelgrabkultur.

Großsteingräber kennen wir aus der Gegend um Bötersen nicht, aber ein Fund dieser Zeitstellung ist dokumentiert: eine Axt, die Heinrich Dodenhof auf seinem Acker fand und von Günter Hoops der Kreisarchäologie übergeben wurde.

Die nachfolgende Kultur bestattete nicht mehr in der Gemeinschaft, sondern betonte im Totenkult stärker das Individuum. Folglich bezeichnete man diese kulturelle Erscheinung als Einzelgrabkultur. Ihr ist eine durchlochte Axt aus Diorit zuzuordnen, die 1961 gefunden wurde. Sie befand sich einst in der Schulsammlung und ist heute in Privatbesitz.

Grabhügel – die Geschichte ihrer Zerstörung

Grabhügel sind zumeist runde Hügel, die über einer oder mehreren Bestattungen aufgeschüttet wurden. Sie prägten bis weit ins 19. Jahrhundert das Landschaftsbild – auch in Bötersen. So gruppierten sich beispielsweise um ein Moorloch einst 19 Grabhügel. Die Lage an Mooren und Gewässern ist bei Grabhügeln häufig festzustellen. Dieser bewusst gewählte Ort ist sicherlich in Zusammenhang mit damaligen Glaubensvorstellungen zu bringen. In Mooren und Gewässern wurde in nahezu allen Zeiten Opfer niedergelegt – und selbst heute sieht man in vielen Brunnen zahlreiche Münzen, die dort aus unterschiedlichsten Gründen hineingeworfen wurden. In dem kleinen Moor bei Bötersen wurde noch Anfang des 20. Jahrhunderts Torf gewonnen, der aber nach aussage hiesiger Landwirte schlecht und bröckelig war.

Noch 1928 oder 1929 konnte Joh. Dodenhof, der hier seine Schafe auf der Heide hütete, die Grabhügel beobachten. Bei der Anlage des Fliegerhorst im Jahr 1936 wurden jedoch die meisten vom Reichsarbeitsdienst zerstört. H. J. Killmann vom Landesmuseum Hannover konnte während seiner archäologischen Landesaufnahme (= flächendeckende Suche nach archäologischen Fundstellen) im Jahre 1962 noch 13 schwach im Gelände erkennen – heute sind sie selbst für das geübte Auge nicht mehr zu erkennen. Dieses Schicksal teilen auch viele andere Grabhügel. Man kann davon ausgehen, dass nur etwa 10% des ehemaligen Bestandes an Grabhügeln heute noch obertägig zu erkennen ist. Bei vielen der obertägig abgetragenen Grabhügeln lohnt heute auch eine archäologische Nachuntersuchung nicht mehr, da einige in den 1980er-Jahren tiefgepflügt wurden und somit restlos zerstört sind.

Die Grabhügel in Bötersen wurden vermutlich in ihrer Mehrzahl in der älteren Bronzezeit (etwa 1.700 – 1.300 v. Chr.) angelegt. Den Toten legte man zu dieser Zeit im Zentrum des Hügels in einem ausgehöhlten Baumstamm (sog. Baumsarg) nieder. Den Rand befestigte man mit Steinen, die zum einen den Hügel stabilisieren sollten, zum anderen aber auch eine kultische Abgrenzung der Totenstätte darstellte. Viele dieser doppelfaust- bis kopfgroßen Steine konnte H. J. Killmann 1962 noch beobachten. In einigen dieser Hügel befanden sich nach Aussage von J. Dodenhof Urnen im Steinschutz. Dabei wird es sich wohl um Nachbestattungen der älteren Eisenzeit (700–400 v. Chr.) handeln. Wie auch in späteren Zeiten, suchte man die Nähe zu den realen oder fiktiven Ahnen. Der Verbleib der Urnen ist unbekannt.

Zwei Grabhügel auf dem Gebiet der heutigen Lent-Kaserne wurde 1935 oder 1936 von dem ehrenamtlichen Kulturdenkmalpfleger Rudolf Biere ausgegraben. Biere war eigentlich ehrenamtlicher Denkmalpfleger in Verden. Da im damaligen Kreis Rotenburg/Han. keine so regen Heimatforscher wie Hans Müller-Brauel (Kreis Zeven) oder August Bachmann (Kreis Bremervörde) tätig waren, übernahm R. Biere dieses Amt, jedoch mit eher geringer Intensität. Von seiner Grabung sind leider keine weiteren Unterlagen erhalten geblieben. Eine Nachuntersuchung durch Dr. R. Dehnke erbrachte kein nennenswertes Ergebnis.

Ein weiterer Grabhügel wurde von Dr. Asmus (Landesmuseum Hannover) 1942 untersucht. Er konnte ein frühbronzezeitliches Randleistenbeil und ein kleines Keramikgefäß bergen. Der Verbleib der Funde ist bislang nicht geklärt. Weiterhin konnte er zwei spätbronzezeitliche und drei früheisenzeitliche Urnen Nachbestattungen belegen.

Abb04
Absatzbeil der Bronzezeit.

Aus der Bronzezeit stammt weiterhin ein sog. Absatzbeil (Abb.), dass am Rande einer Niederung (Lohbruch) gefunden wurde. Es waren keine Hinweise auf ein ehemaligen Grabhügel vorhanden, so dass es entweder verloren oder bewusst (für die Götter) niedergelegt wurde.

Urnen

Im Laufe der jüngeren Bronzezeit etablierte sich die Brandbestattung, d.h. Der Leichnahm wurde auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Nun wurden keine großen Grabhügel mehr errichtet, sondern es wurden flächige Urnenfriedhöfe genutzt. Ein Urnengräberfeld der jüngeren Bronzezeit und älteren Eisenzeit wurde in der Nähe der Lent-Kaserne bekannt. Erste Urnen des Friedhofes wurden 1928-34 bei der Urbarmachung von Heideland geborgen. Weitere Urnen wurden von Soldaten 1961-62 entdeckt. H. J. Killmann führte darauf hin Notgrabungen durch, von denen aber weder die Dokumentation noch Funde erhalten sind. Der Fabrikant und Heimatforscher Kurt Machunsky grub das Gräberfeld nach Vorbild der Untersuchungen in Unterstedt großflächig (jedoch nicht komplett) 1966-68 aus (Abb. 5–9). Doch auch hier hat sich die Dokumentation – bis auf Grabungstagebücher und Fotos – nicht erhalten. 1970 wurde abermals gegraben, als das Anlegen eines Entwässerungsgrabens zur Entdeckung mehrerer Urnen führte. Leider wurde hier nicht nur unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten gegraben. Es sind auch Aktivitäten von Raubgräbern bekannt geworden, die ihre heimische Sammlung um ein paar Fundstücke ergänzen wollten oder aber Grabungen eher unter kommerziellen Gesichtspunkten sahen.

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Steinkreis um eine Urnenbestattung.

Abb08
Urne während der Ausgrabung.

Abb09
Eine Auswahl von Urnen, die bei den Ausgrabungen geborgen wurden.

 

Aufgrund der bekannt gewordenen Funde und Befunde kann von über 200 Bestattungen ausgegangen werden. Das Gräberfeld befand sich in typischer Lage im Umfeld älterer Grabhügelgruppen. Weiterhin nehmen die Gräber vielleicht auf einen heute nicht mehr vorhanden Weg Bezug, worauf Karrenspuren im Umfeld der Grabungen hindeuten.

Eine Reihe aus Feuer

Auch überregional wurde Bötersen durch Grabungen von Dr. Dehnke bekannt. Beim Bau eines Sportplatzes in der Gemarkung Bötersen wurde in den Jahren 1966/67 von Rudolf Dehnke eine Reihe von 51 Feuerstellen entdeckt, die auf 140 m Länge dokumentiert wurde. Eine wahrscheinliche Begrenzung des Gesamtbefundes wurde nur in westlicher Richtung festgestellt, nach Osten setzte er sich wohl über die Grabungsgrenze hinweg fort. Nach C14-Analysen datieren die Feuerstellen in das 10. und 9. Jahrhundert v. Chr., also in die gleiche Zeit wie das nur 90 m entfernte Urnengräberfeld, das sich wiederum in eine Kette von 33 Grabhügeln einreiht. Von einem (kultischen) Zusammenhang von Feuerstellenreihe und Gräberfeld muss somit ausgegangen werden. Welcher Natur dieser Zusammenhang war, lässt sich jedoch auch unter Einbeziehung überregionaler Befunde nicht abschließend klären. Die Feuerstellenreihe markiert in Bezug auf das benachbarte Gräberfeld sicherlich einen kultischen Bereich und grenzt diesen gegenüber dem „profanem“ Umfeld ab.

Abb10
Grabungssituation 1966. Deutlich ist die Aufreihung der Feuerstellen zu erkennen.

Abb11
Ausgegrabene Feuerstelle.

Die Feuerstellenreihe von Bötersen stellen einen Wendepunkt in ihrer Erforschung dar. Erst mit den Untersuchungen von Bötersen und der Publikation von R. Dehnke wurde man in der Bronzezeitforschung auf dieses Phänomen aufmerksam, obwohl die ersten Befunde bereits um 1900 entdeckt wurden. Schmidt und Forler (2003) sehen die Feuersteinreihen ebenso als geeignete an, um den sog. Nordischen Kreis als kulturelles Phänomen in seinen südlichen und südwestlichen Ausläufern abzugrenzen. Somit kommt den Befunden aus Bötersen nicht nur eine wichtige Funktion zum Verständnis der Urgeschichte des Kreisgebietes zu, sondern sind auch für überregionale Vergleiche und Analysen von hohem Interesse.

Spuren aus historischer Zeit

Ein Grenzgraben ist heute noch im Bereich der Gemeindegrenze Höperhöfen und Bötersen zu erkennen. Vermutlich wurde er im ausgehenden Mittelalter oder der frühen Neuzeit angelegt. Die Bezeichnung „Am Schneedegraben“ deutet auch darauf hin.

Zeitlich nicht näher einzuordnen sind Wegespuren, die auf den Urnenfriedhof zulaufen. Andere Wegespuren verlaufen im Umfeld einer Grabhügelgruppe (8 Spuren auf 60 m Breite). Eine dritte Gruppe weist mindestens 18 Spuren auf 100 m Breite auf.

Literatur:

Hofmann, K. P.: Der rituelle Umgang mit dem Tod. Untersuchungen zu bronze- und früheisenzeitlichen Brandbestattungen im Elbe-Weser-Dreieck. Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme) 14, 2008.

Schmidt, J.-P., Forler, D. 2003: Ergebnisse der archäologischen Unter­suchung in Jarmen, Lkr. Demmin. Die Problematik der Feuerstellenplätze in Nord­deutschland und im südlichen Skandi­navien. Jahrbuch Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 51, 2003, 7–79.

Weiterhin sei auf die Reihe „Archäologische Berichte des Landkreises Rotenburg (Wümme)“ hingewiesen.